Familie

Zuletzt aktualisiert am 16. September 2024

Ihr «letzter Wille»: Wie sieht die gesetzliche Erbfolge aus?

Auch wenn Sie Ihrer Familie, Ihren Freund:innen und Bekannten immer wieder mündlich mitgeteilt haben, wer nach Ihrem Tod was und wie viel erhalten und somit die Früchte Ihres Lebens geniessen soll: Liegt weder ein Testament noch ein Erbvertrag vor, erfolgt die Verteilung nach der gesetzlichen Erbfolge. Denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass Sie Ihr Vermögen denen hinterlassen wollen, die Ihnen am nächsten stehen, damit Ihr Nachlass «in der Familie» bleibt.

1. Verwandte Erb:innen (Stammesordnung) 

  • Dazu gehören die Nachkommen der Erblasser:innen, die zu gleichen Teilen erben. An die Stelle vorverstorbener Kinder treten deren Nachkommen (= Enkelkinder). 

  • Zu den verwandten Erb:innen gehört auch der Stamm der Eltern. Die Eltern der Erblasser:innen erben nur dann zu gleichen Teilen, wenn keine Nachkommen vorhanden sind. Lebt ein Elternteil bereits nicht mehr, fällt dessen Anteil an seine Nachkommen, d.h. an seine anderen Kinder/Enkelkinder etc. Hat der verstorbene Elternteil ausser dem Erblasser keine weiteren Nachkommen, so erhält der überlebende Elternteil beziehungsweise (im Todesfall) sein Stamm das gesamte Erbe.

  • Hinterlassen Erblasser:innen weder Nachkommen noch Eltern (respektive deren Stämme), wird das Erbe unter den Grosseltern (respektive deren Stämme) zu gleichen Teilen aufgeteilt. 

  • Hinterlassen die Erblasser:innen keine Erb:innen, also auch nicht im Stamm der Grosseltern, fällt das Erbe an den Kanton, in dem die Erblasser:innen ihren letzten Wohnsitz hatten, oder an eine vom Kanton zu bezeichnende Gemeinde.

 

Sie können anhand von folgenden Regeln überprüfen, wer Ihre gesetzlichen Erb:innen sind.

Grundkonstellation

Beispiel: Grossmutter Anna und Grossvater Hans haben Tochter Nina und Sohn Lukas. Nina hat einen Sohn Léon und Lukas eine Tochter Emma.

Regel 1 

Ein näherer Stamm schliesst einen Entfernteren von der Erbfolge aus. 

Beispiel 1: Nina stirbt, ihr Sohn Léon erbt alles, ihre noch lebenden Eltern Anna und Hans sind von der Erbfolge ausgeschlossen. 

 

Regel 2

Innerhalb eines Stammes erbt nur die oberste Generation. 

Beispiel 2: Grossmutter Anna stirbt, ihr Mann Hans ist bereits vorverstorben: Tochter Nina und Sohn Lukas erben je zur Hälfte, die Enkel Léon und Emma erben nichts. 

 

Regel 3 

Ist ein Nachkomme vorverstorben, so treten seine Nachkommen an seine Stelle. 

Beispiel 3: Grossvater Hans stirbt, sein Sohn Lukas ist bereits vorverstorben. Lukas' Tochter Emma und Nina erben je zur Hälfte.

 

Regel 4

Wenn der:die Erblasser:in keine Nachkommen hinterlässt, fällt die Erbschaft hälftig an die Mutter- und Vaterseite.

Beispiel 4: Stirbt Léon, erben seine Mutter Nina und sein Vater. Die Erbfolge endet mit dem dritten Stamm. Sollten keine Verwandten dieses Stammes vorhanden sein, erbt meistens die Gemeinde und der Kanton (je nach Kanton).



Aussereheliches Kind

Es besteht ein uneingeschränktes Erbrecht der Mutter und ihrer Verwandten; hat der Vater das Kind anerkannt oder ist die Vaterschaft gerichtlich festgestellt, besteht das Erbrecht auch gegenüber dem Vater und seinen Verwandten.


Stiefkinder

Stiefkinder und -eltern sind nicht verwandt und haben somit auch kein Erbrecht.

Wichtig: In Patchwork-Familien kann es zu als ungerecht empfundenen Ergebnissen kommen. Dies lässt sich z. B. durch die Einsetzung von Vor- und Nacherb:innen vermeiden. Denn wenn etwa ein Ehepartner den anderen beerbt und dann verstirbt, gehen sein eigenes und das ererbte Vermögen nur auf seine Erb:innen über.

Wenn die Erblasser:innen keine Nachkommen hinterlassen, fällt die Erbschaft hälftig an die Mutter- und Vaterseite.

Beispiel 1: Witwer Anton hat zwei Kinder aus erster Ehe, Ben und Carl. Nach ein paar Jahren heiratet er Daniela, mit der er ebenfalls zwei weitere Kinder, Mia und Fabienne, hat. Als Anton stirbt, erbt seine jetzige Frau Daniela die Hälfte, und seine vier Kinder je ein Achtel.

Beispiel 2: Als Daniela stirbt, erben nur ihre beiden leiblichen Kinder Mia und Fabienne ihr gesamtes Vermögen – einschliesslich der Hälfte, die sie von Anton geerbt hat – je zur Hälfte. Ben und Carl, die beiden Kinder aus Antons erster Ehe, gehen leer aus, da sie weder mit Daniela verwandt sind noch von ihr als Erben eingesetzt wurden. Ohne besondere Regelung im Erbvertrag oder Testament von Anton oder Daniela, sind Ben und Carl schlechter gestellt, weil die andere Hälfte des Erbes ihrer verstorbenen Mutter zuerst an Anton, dann an Daniela und letztendlich an Mia und Fabienne gegangen sind!

2. Überlebende Ehegatt:innen und eingetragene Partner:innen

Ehegatt:innen bzw. eingetragene Partner:innen sind zwar mit den Erblassenden nicht verwandt, aber dennoch gesetzliche Erb:innen. Eingetragene Partner:innen sind Ehegatt:innen völlig gleichgestellt. Der überlebende Ehegatte bzw. die eingetragene Partnerin erhalten:

  • wenn sie mit Nachkommen zu teilen haben, die Hälfte der Erbschaft
  • wenn sie mit Erb:innen des elterlichen Stammes zu teilen haben, drei Viertel der Erbschaft
  • wenn keine Erb:innen des elterlichen Stammes vorhanden sind, die ganze Erbschaft

Lebt nach dem Todesfall des Erblassers noch die überlebende Ehegattin sowie die Eltern, so erhält die Ehegattin von Gesetzes wegen drei Viertel des Nachlasses.

 

Gepostet am 5. September 2018